Dagmar Meske ist Gründerin von Treepoint, einer Plattform, die Produkte im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit bewertet – mit Treepoints eben. Dagmar ist Mutter zweier Kinder im Kita-Alter und getrennt lebend vom Vater der Kinder. Ihr Unternehmen hat sie 2020 aus der Elternzeit heraus gegründet.

Erzähle uns am besten direkt etwas zu deinem Business. Was machst du mit Treepoint?

Grundidee ist es, Nachhaltigkeit von Unternehmen und ihren Produkten für den Konsumenten sichtbar und transparent zu machen und das Ergebnis auf einer Skala von 1 bis 5 abzubilden. Aufgrund einer fehlenden einheitlichen Definition von Nachhaltigkeit, aber der übereinstimmend vorhandenen 3 Aspekte Governance, Soziales und Ökologisches, haben wir einen gewichteten Kriterienkatalog für Unternehmen entwickelt. Diese Kriterien werden nun mit öffentlich zugänglichen Daten gematcht (z.B. Annual reports, Sustainability Reports, NGO Reports etc). und das Ergebnis in Treepoints abgebildet (der Skala von 1-5). Wir übersetzen sozusagen die unstrukturierten Daten in eine für Konsumenten verständliche Form.Treepoint ist unabhängig und wird von keinem der bewerteten Unternehmen bezahlt.

Was ist deine Rolle in deinem Unternehmen?

Wie im Privatleben auch – Mama für alles 🙂 Mein Partner unterstützt mich im Projektmanagement, weil er das viel besser kann als ich, alles andere übernehme ich. Für ein halbes Jahr hatte ich auch eine Mitgründerin, die sich stark ums Technische kümmerte. Seit sie weg ist, liegt die IT auch bei mir.

In welcher Phase der Gründung steckst du gerade?

Wir sind seit einem halben Jahr live mit unserer Webseite. Wir haben bislang 44 Unternehmen bewertet, davon 29 auf Treepoint veröffentlicht, 200 Produkte in acht Kategorien. Der Proof of Concept ist da. Unser mittelfristiges Ziel ist es jedoch nicht, die bewerteten Produkte auf unserer Webseite zu verkaufen, sondern die Treepoints in bestehende Online-Shops zu integrieren. Dafür braucht man vor allem Manpower und Geld, um diese zu bezahlen sowie Kooperationen mit Online-Shops oder Einzelhändlern.

Wissen ist Macht und in dem Fall kann es ein großer Hebel zu mehr Nachhaltigkeit sein. Etwas in dieser Welt mit meinem Know how ein kleines Stückchen besser zu machen, das treibt mich an. 

Kannst du uns mehr zu deinem Hintergrund erzählen und wie es dazu kam, dass du gegründet hast?

Ich habe schon sehr oft mit dem Gedanken gespielt, eine Idee umzusetzen – und davon hatte ich viele! Mich hat dann immer geärgert, dass ich es von anderen verwirklicht sah und ich mich nicht dazu durchringen konnte. 2015 hatte ich bereits erste Versuche gemacht, mit einer Freundin eine Plattform im touristischen Bereich aufzubauen, bin dann aber mit dem 2. Kind schwanger geworden und musste die Pläne auf Eis legen. Letztes Jahr bin ich durch “Fridays For Future” inspiriert worden, etwas im Bereich Nachhaltigkeit zu entwickeln, etwas, das Menschen ermutigt, sich nachhaltiger zu verhalten anstatt negativ auf sie einzuwirken. Da ich durch meine frühere Arbeit bei Google und Zalando Erfahrungen im Bereich eCommerce hatte, kam mir die Idee, diese beiden Themen zu verbinden. Ich habe dann 2020 unbezahlte Elternzeit genommen und losgelegt. Meine Mission ist es, die Menschen zu befähigen, bewusste Kaufentscheidungen zu treffen und auch ihre Lieblingsmarken zu beurteilen. Wissen ist Macht und in dem Fall kann es ein großer Hebel zu mehr Nachhaltigkeit sein. Etwas in dieser Welt mit meinem Know how ein kleines Stückchen besser zu machen, das treibt mich an.

Rückblickend auf das Jahr 2020, dein Gründungsjahr, was sind deine “Lessons Learned”?

Ich fange mal mit einer bitteren Lektion an: kurz nach Gründung von Treepoint habe ich eine Mitgründerin an meine Seite bekommen. Wir haben uns fachlich sehr gut ergänzt, aber letztendlich ist unsere Zusammenarbeit an fehlender Kommunikation und ungleichen Vorstellungen gescheitert, vielleicht wie eine Ehe, die im Alltag funktioniert, aber Belastungen nicht standhält. Sie brauchte einen genauen Plan, wohin sich Treepoint entwickelt, mir war es hingegen wichtig, Zielgruppen und Geschäftsmodelle zu prüfen und auszutesten, um Erfahrungen zu sammeln. Diese Unterschiede hätte man diskutieren müssen. Ich würde das nächste Mal mindestens einmal pro Woche einen Austausch nur zum Thema “Wie fühle ich mich? Was stört mich? Was brauche ich?” machen, um sowas frühzeitig zu erkennen und ggfs. eine Lösung zu finden.

Die Wahrheit ist: man vergleicht sich mit anderen Gründer*innen und vergisst dabei, dass die meisten eben keine Familie zu versorgen haben.

Ein weiteres Learning ist, dass ich permanent mit dem Gefühl konfrontiert war, nicht genug voranzukommen, nicht genug zu schaffen. Dann kam der Lockdown, und zwei kleine Kinder sprangen den ganzen Tag um mich herum. Oder sie wurden plötzlich krank und mussten betreut werden. Der ganz normale Wahnsinn 2020 eben für uns alle. Die Wahrheit ist: man vergleicht sich mit anderen Gründer*innen und vergisst dabei, dass die meisten eben keine Familie zu versorgen haben. Ich hatte viel zu hohe Ansprüche an mich selbst. Das versuche ich jetzt, besser zu machen. Wenn mich wieder dieses Gefühl überkommt, mache ich bewusst Dinge, die mir leicht fallen wie Artikel für unseren Blog zu schreiben. Das holt mich dann raus und ich sehe ein Ergebnis.

Was mich das Jahr aber gelehrt hat, ist das: es fühlt sich einfach verdammt gut an, wenn man seine Vision umsetzen kann. Egal, wie es mit Treepoint weitergeht, ist das eine sehr wertvolle Erfahrung für mich gewesen. Man kann mit wenig Geld vieles erreichen. Aber alleine oder selbst zu zweit würde ich es nicht mehr machen. Gerade wenn man Kinder hat und wie ich Hauptverdiener ist, möchte ich die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen.

Ein weiterer Punkt ist die Finanzierung. In der späteren Elternzeit bekommt man kein Geld, man bekommt aber auch keinen Gründerzuschuss und Gründerprogramme verlangen oft regelmäßige Anwesenheit und Vollzeitarbeit am Projekt. Man fällt irgendwie durchs Raster. Da würde ich mir stärkere Aufklärung, vielleicht sogar durch ParentPreneurs wünschen. Vielleicht habe ich da was übersehen?

Der Mensch kann Unglaubliches leisten, wenn er einen Sinn darin sieht.

Was hat dich 2020 am meisten inspiriert?

Meine Kinder inspirieren mich. Sie sind offen und echt, sie spielen nichts vor, sie fühlen sich richtig in ihrer Haut und glauben an sich. So vieles versuchen wir Erwachsenen später wiederzuerlangen. Mich inspiriert eine Freundin, die als Krankenschwester mit zwei Kindern nebenbei noch ehrenamtlich im Hospiz und bei einer alten Dame geholfen hat. Ihr Herz ist so groß wie ein Bergwerk, wie man in Österreich so sagt. Diana Nyad hat mich sehr inspiriert, die nach unzähligen erfolglosen Versuchen im Alter von 64 von Kuba nach Florida geschwommen ist, als schon keiner mehr daran geglaubt hatte. Sie tat es und hat es geschafft. Der Mensch kann Unglaubliches leisten, wenn er einen Sinn darin sieht.

In welchem Familienmodell lebst du und wie organisierst du Familien und Unternehmerinnen-Alltag?

Ich habe 2 Kinder, 4 und 6 Jahre alt, lebe vom Vater der Kinder getrennt, in Beziehung. Ich arbeite bis 14:30 und hole dann die Kinder. Ab dann ist Familienzeit. Manchmal arbeite ich abends noch weiter.

Welchen Support möchtest du aktuell nicht  missen?

Emotionalen Support vom Partner. Meiner Mutter, die zur Not mal einspringen kann.

Hast du ein Vorbild oder einen Leitsatz, der dich auf deinem Weg begleitet?

Pippi Langstrumpf 🙂 “Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!”

Welche Frage würdest du gerne dem*der nächsten Interviewpartner*in stellen?

Die gleichen.

Vielen Dank für das schöne Interview!